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Worum es mir geht

Mit diesen Beiträgen möchte ich aufzeigen, warum der Kindergarten nicht der ideale „Aufbewahrungsort“ für Kinder ist. Ich teile hier meine Einsichten und Erfahrungen, die ich gewonnen habe. Meine intuitiven Einschätzungen konnte ich im Laufe der Jahre mit Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie untermauern.

Und da die Kinder nicht für sich selbst sprechen, leihe ich ihnen dabei meine Stimme, indem ich aufzeige, was für sie schwierig ist.

Es geht mir keineswegs darum, dir ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn dein Kind in den Kindergarten geht. Oder wenn du vorhast, es in den Kindergarten gehen zu lassen. Und es ist wunderbar, wenn dein Kind in den Kindergarten geht und es ihm damit gut geht.

Doch was ich erlebe sind immer mehr Kinder, die im Kindergarten Schwierigkeiten haben. Die durch auffälliges und herausforderndes Verhalten die Arbeit dort schwermachen. Und ich bin davon überzeugt, dass die Kinder gute Gründe für ihre Verhalten haben. Aus meiner Sicht ist der Kindergarten nicht der passende Ort für die vielen Kinder, die dort hingehen. Einige Kinder profitieren davon. Viele andere nicht. Da profitieren wahrscheinlich eher die Eltern davon, dass sie eine kinderfreie Zeit am Tag haben. Und das möchte ich auch niemandem vorwerfen. Ich kann das gut nachvollziehen. Ich sehne oft meinen ruhigen Feierabend herbei, und freue mich wenn ich am Abend oder am Wochenende keine Kinder um mich habe, sondern mich nur um mich kümmern kann.

Da ich gut darin bin, Dinge zu hinterfragen, habe ich mich gefragt, weshalb wir mit dem Kindergarten ein System haben, das den Kindern gar nicht wirklich gut tut und doch normal für uns ist. Und ob es nicht auch anders geht. Wie war es denn, bevor es Kindergärten gab? Wie funktioniert es in anderen Kulturkreisen, in denen es keine organisierte Kinderbetreuung gibt?

Denn ich bin davon überzeugt, dass es auch anders gehen kann.

Den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gibt es Deutschland erst seit 2013. Die Entstehung der Kindergärten hängt mit den Veränderungen der Gesellschaft durch die industrielle Revolution zusammen. Erst in den 1960er Jahren wurde es den Frauen politisch ermöglicht, auch berufstätig zu sein. Und mit der Berufstätigkeit nicht nur der Väter, sondern auch der Mütter braucht es dann natürlich auch einen Platz für die Kinder. Vorher hatte die Nazi-Regierung die Anzahl der Kindergärten mehr als verdoppelt, so dass sich eine „Versorgungsrate“ von 31 % ergab. Bereits 1971 gab es in Deutschland, je nach Bundesland, in den jeweiligen Hauptstädten der Bundesländer für durchschnittlich 43 %[1] der Kinder einen Kindergartenplatz. Und während sich in meiner Kindheit, also vor etwa 35 Jahren, viele Mütter noch aussuchen konnte, ob sie lieber zuhause als „Hausfrau“ arbeiten oder sich eine Erwerbstätigkeit suchen, ist es heute aus wirtschaftlichen Gründen oft so, dass ein verdienender Elternteil die Kosten der Familie gar nicht decken kann. Wie gut, dass es seit 2013 den Anspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebensjahr des Kindes gibt.

Sicher stellen die ersten Kindergärten, die mit Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet wurden, eine Verbesserung der Situation der Kinder dar. Denn damals waren Kinder noch nicht geschützt, viele lebten in Armut, mussten mitarbeiten oder waren sich selbst überlassen.

Grob überblickt ist die Betreuung im Kindergarten also etwa 100 Jahre alt. Und in dieser Zeit hat sich vieles geändert. Nicht nur im der Betreuung der Kinder, sondern auch in unserer Gesellschaft.

Wir halten es für normal, dass fast jedes Kind in den Kindergarten geht. Doch haben wir uns gesellschaftlich damit beschäftigt, was das für ein Kind bedeutet?

Während wir gesamtgesellschaftlich und auch im Kindergarten versuchen, die Kinder im Aufwachsen möglichst kindgerecht zu unterstützen, haben wir es verpasst, uns zu fragen, ob die Betreuung im Kindergarten überhaupt kindgerecht ist. Die meisten hinterfragen nicht, ob das gut so ist, was wir da mit den Kindern machen.

Es ist an der Zeit, dass sich das ändert. Es ist an der Zeit, dass wir die Gründe hinter dem Verhalten der Kinder erkennen und unseren Umgang mit den Kindern auch auf gesellschaftlicher Ebene hinterfragen. Wir leben in einer Zeit des rasanten Wandels. Und wir selbst können mitbestimmen, wo es hingeht. Darum sollten wir uns mit diesem Thema beschäftigen, uns informieren und austauschen. Und uns überlegen, wie wir in Zukunft mit den jungen Kindern umgehen wollen.

Auf meine Frage, wie es denn vorher, ohne Kindergärten funktioniert hat, habe ich folgende Antwort gefunden: Vor der industriellen Revolution haben die Menschen oft in Großfamilien gelebt. Es gab auch noch keine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Denn die meisten Menschen arbeiteten zuhause und auf dem Hof. Und da gab es für die Kinder neben den Eltern noch Großeltern, Tanten und Onkel, vielleicht auch Angestellte und Nachbarn. Die Kinder sind in einer Gemeinschaft aufgewachsen. Und in solch einer Gemeinschaft werden auch die Eltern entlastet, da sie nicht rund um die Uhr ausschließlich nach den Kindern schauen müssen.

Indem ich aufzeige, was aus meiner Sicht problematisch am Aufbewahrungsort Kindergarten ist, möchte ich zum Nachdenken anregen. Denn wir Erwachsenen sind es, die die Verantwortung für die Kinder tragen. Es ist unsere Aufgabe für sie zu sorgen, und dazu müssen wir ihre Bedürfnisse kennen. Wenn es um die Unterbringung der Kinder im Kindergarten geht, fehlt mir der Austausch darüber. Inwieweit entspricht denn der Aufenthalt in einem Kindergarten den Bedürfnissen der Kinder?

Diese Frage versuche ich aus meiner Sicht zumindest ansatzweise in den nächsten Beiträgen zu beantworten.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kindergarten