Kinder sind etwa neun Monate lang im Bauch. Danach kommen sie auf die Welt. Sie können dann so vieles noch nicht – sie können noch nicht laufen, sprechen oder alleine essen. Sie können jedoch schon sehen und hören, ihre Umwelt also aktiv wahrnehmen.
In der Biologie wird zwischen Nesthockern, Nestflüchtern und Traglingen unterschieden. Zu den Nesthockern gehören Tiere wie Hunde, Katzen, Kaninchen, Mäuse und so weiter. Die Tierbabys dieser Arten kommen blind, nackt und völlig hilflos auf die Welt. Sie brauchen Zeit im Nest, um zu reifen und sich zu entwickeln, um so weit zu sein die Welt selbst zu entdecken.
Zu den Nestflüchtern gehören beispielsweise Pferde, Enten, Hühner, Wale und so weiter. Die Babys dieser Tierarten kommen als kleinere Ausgaben ihrer Eltern auf die Welt. Sie haben die Augen und Ohren geöffnet, haben je nach Art schon ihr Fell und folgen der Mutter selbstständig. Bei Gefahr können sie schon alleine flüchten.
Die Traglinge sind eine Mischung aus Nesthockern und –flüchtern. Diese Babys werden von Mutter oder Vater getragen. Es gibt Traglinge, die sich selbst an der Mutter festhalten, wie Affenbabys. Es gibt unter den Tierbabys auch Traglinge, die in einem Beutel weiterreifen, bis sie so weit sind, herauszukommen, wie zum Beispiel bei den Kängurus oder Koalas.
Menschenbabys werden den Traglingen zugeordnet. Denn wir brauchen nach der Geburt Körperkontakt. Babys im Bauch spüren schon mit acht Wochen erste Berührungen, wenn etwa über den Bauch gestreichelt wird. Der Körperkontakt ist elementar für Neugeborene, er dient dem Bonding, als dem Bindungsaufbau zur Mutter und zum Vater. Außerdem hilft Körperkontakt bei der Emotionsregulierung. Kinder, die keinen Körperkontakt und keine liebevolle Zuwendung erfahren, können nicht überleben. Menschenkinder haben wie die Nestflüchter bereits aktive Sinne, sie können hören und sehen. Doch sie sind noch nicht in der Lage, sich selbstständig fortzubewegen.
Menschenkinder sind also Traglinge. In der Regel bekommt eine Frau ein Kind – es sei denn, sie bekommt Zwillinge oder andere Mehrlinge. Ein Kind kann problemlos getragen werden. Wenn es mehrere sind, wird es schon schwieriger.
Und an diesem Punkt möchte ich auf die Betreuung von Kleinkindern in der Krippe eingehen. Dort betreut eine Fachkraft etwa fünf Krippenkinder. Nach meiner Erfahrung hilft es, kleine Kinder zu tragen. Sie beruhigen sich schneller, sie sind ausgeglichener und es geht ihnen besser. Denn Kinder sind Traglinge.
Auch in der Zeit, in der ich in der Krippe gearbeitet habe, haben wir Kinder oft getragen. Diesem Kind geht es besser, weil sein Bedürfnis gestillt wird.
Doch leider kommen in dem Moment vier andere Kinder zu kurz.
Junge Kinder unter drei Jahren brauchen eine sehr intensive Begleitung durch Erwachsene. Sie lernen zu laufen, zu sprechen, zu essen und vieles andere. Sie haben noch kein Gefühl für die Zeit und sie sind noch nicht in der Lage, logisch zu denken. Wenn sie etwas wollen, wollen sie es sofort. Da spielt es keine Rolle, ob das begehrte Objekt gerade von einem anderen Kind genutzt wird. Oder ob Mama und Papa arbeiten müssen und gerade nicht anwesend sein können. Kleine Kinder brauchen eine intensive Betreuung, sei es beim Essen, Einschlafen oder beim Beruhigen. Wir als Fachkräfte in der Betreuung tun unser Bestes, um den Kindern gerecht zu werden.
Doch Kinder sind Traglinge. Und mit dem Beginn der Betreuung in einer Krippe beispielsweise löst sich dieses Bedürfnis, getragen zu werden, leider nicht auf. Auch einjährige Kinder wollen manchmal noch getragen werden. Oder öfter. Und wie gut funktioniert das, wenn im Idealfall je fünf Kindern eine erwachsene Person anwesend ist?
Könnte es sein, dass die Betreuung in einer Gruppe den Grundbedürfnissen und biologischen Voraussetzungen, die Kinder mitbringen, widerspricht?